Das Telefon ist in diesen Tagen und Wochen eines der wichtigsten Arbeitsmittel im Verdener Gesundheitsamt. Allein neun Fachkräfte im Fachdienst Gesundheit sind seit dem ersten Coronavirus-Fall im Landkreis Anfang März damit beschäftigt, die Infektionsketten positiv getesteter Personen zu durchleuchten, Zusammenhänge herzustellen und Kontaktpersonen zu ermitteln.
„Wir haben zwischenzeitlich weit über 1.000 Telefonate geführt, um abzuklären, welche Kontaktpersonen es im Umfeld von mit dem Coronavirus infizierten Patienten gibt“, erklärt Jutta Dreyer, Amtsärztin und Leiterin der Verdener Gesundheitsbehörde, „denn nur durch das akribische Nachverfolgen der Kontakte und einer nachfolgenden Unterquarantänestellung maßgeblicher Kontaktpersonen, haben wir die Chance, die Virusausbreitung einzudämmen.“
Amtsärztin Jutta Dreyer koordiniert die Coronavirus-Bekämpfung im Gesundheitsamt des Landkreises Verden. (Foto: Landkreis Verden)
Schnelles Handeln ist erforderlich: Positiv Getestete werden von den Mitarbeiterinnen des Gesundheitsamtes telefonisch befragt, mit wem sie in den Tagen vor dem Ausbruch erster Symptome Kontakt hatten. Maßgeblich, so Dreyer, sei der direkte Kontakt von Angesicht zu Angesicht. Bei mehr als 15 Minuten in enger räumlicher Nähe müsse man von einem erhöhten Infektionsrisiko ausgehen. Diese so genannten Kontaktpersonen 1. Grades würden unverzüglich kontaktiert und nach einer weiteren Befragung in der Regel auch unter Quarantäne gestellt. „Kontaktpersonen 2. Grades, bei denen der unmittelbare Kontakt zu einer infizierten Person kürzer ausfiel, beraten wir telefonisch und animieren sie zur Vorsicht.“
113 Covid-19-Erkrankte und weitere 399 Kontaktpersonen wurden – Stand Freitag dieser Woche –seit dem Erstausbruch im Landkreis unter häusliche Quarantäne gestellt. 98 Infizierte sind inzwischen wieder genesen, weitere 341 Verdachtsfälle konnten aus der Quarantäne entlassen werden. 66 der infizierten Personen sind männlich, 47 Personen weiblich. 78 Virusinfizierte stammen aus dem Nordkreis, 35 leben im Südkreis. “Bei den Erkrankten in den ersten Wochen handelte es sich mehrheitlich um Urlaubsrückkehrer aus Skigebieten im gesamten Alpenraum“, so Jutta Dreyer.
Für Verdachtspersonen gelte eine 14-tägige Quarantäne ab dem Zeitpunkt des Kontaktes zu einer infizierten Person. In dieser Zeit dürften sie weder ohne Erlaubnis das Haus verlassen noch Besuch von Personen empfangen, die nicht dem Haushalt angehören. Zudem hätten die Betroffenen in Selbstbeobachtung ein fortlaufendes digitales Tagebuch zu führen, in dem sie ihren Gesundheitszustand dokumentieren. Für die positiv Getesteten könne die angeordnete Quarantäne frühestens 14 Tage nach Symptombeginn beendet werden, vorausgesetzt die Patienten seien zu dem Zeitpunkt bereits mindestens 48 Stunden komplett symptomfrei. Anderenfalls sei eine Verlängerung der Quarantäne unvermeidlich.
„Die Aufforderung, sich in häuslicher Quarantäne abzusondern, ist keine Bitte“, betont Dreyer, „sondern eine Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz, die bei Nichtbefolgung strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen würde.“
Ob Kontaktpersonenrecherche, Quarantäneanordnungen und deren Überwachung, Gesundheitsberatung rund um Corona oder die Abstimmung mit ortsansässigen Kliniken und Pflegeeinrichtungen – wo sich sonst knapp drei Mitarbeiterinnen um den Infektionsschutz kümmern, sind aktuell rund 25 Personen im Gesundheitsamt, darunter vier Ärztinnen und eine ärztliche Honorarkraft, mit Aufgaben im Rahmen der Corona-Krise befasst. „Die Zahlen verdeutlichen die enorm hohe Personalbindung, die solch ein Virusgeschehen mit sich bringt“, erklärt Amtsärztin Jutta Dreyer.
Trotz Corona-Geschehen versuche man neben dem Infektionsschutz aber auch weiterhin die zahlreichen anderen gesetzlichen Aufgaben des Gesundheitsamtes, beispielsweise im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin, der Zahngesundheit, der amtsärztlichen Begutachtung, der Trinkwasserüberwachung und des Sozialpsychiatrischen Dienstes, wahrzunehmen. „Wir können nicht alles auf Eis legen. Insbesondere die Not psychisch kranker Menschen und deren Beratungsbedarf sind in den Wochen der Krise spürbar gestiegen“, weiß Dreyer.
Pressemitteilung Landkreis Verden 17.04.2020